Montag, 1. April 2013

Der Feind auf meinem Brett?

Das Hörbuch zum Buch, das Computerspiel zum Film, das Bettlaken zum Popstar - crossmediales Merchandising in sämtlichen erdenklichen Variationen ist ein alter Hut: Ein bewährtes Erfolgsprodukt lässt sich auf diese Weise gewinnbringend weitervermarkten. Einer der neuen Trends im Rahmen der transmedialen Crossover allerdings kommt durchaus überraschend. Vor allem für diejenigen, die mit dem Siegeszug der Computerspiele auch den Untergang der traditionellen Gesellschaftsspiele prophezeiten.

Dass Brettspiel-Klassiker als Konsolen- und Computerspiel, Smartphone App oder Social Media Game umgesetzt werden, ist nichts Neues. Doch immer öfter wird diese Spielstraße in beide Richtungen befahren. Mit "Risiko: StarCraft" und "Monopoly: World Of Warcraft" hat der Verlag Winning Moves je zwei Giganten des jeweiligen Mediums zu einer erfolgreichen Symbiose vereint. Das Ergebnis ist, auch aus marketingstrategischer Sicht, eine Traumehe: "Risiko" ist das berühmteste Brett-Strategiespiel der Welt, "StarCraft" das meistverkaufte Echtzeit-Strategiespiel.

Warum die Brettspiel-Varianten von Videogames das Interesse der Zocker wecken, erklärt der Winning Moves-Pressesprecher Michael Tschiggerl: "Da geht es in erster Linie um das Phänomen 'Fan sein'. Wer sich für etwas Bestimmtes begeistert, sei es nun ein Online-Strategiespiel, eine Rockband oder ein Fußballverein, der lebt gern in seiner Themenwelt und ist daher auch offen für Merchandising."

Auch beim Spielwaren-Giganten Hasbro dienen Videogames als Inspirationsquelle für analoge Spiele. "Angry Birds Star Wars" beispielsweise ist eine Hommage an das gleichnamige digitale Kult-Game (das seinerseits mit der Star-Wars-Variante selbst eine Verbeugung vor einem anderen Medium darstellte). Die haptische Version von "Angry Birds Star Wars" setzt die bekannte Spielidee als Action-Geschicklichkeitsspiel mit realen Figuren um. Die Spielmechanik ist, auch ohne Pixel, die gleiche geblieben: Es gilt, die wütenden Vögel auf die Gegner zu katapultieren, um diese zu Fall zu bringen.

Der Computerspiel-Klassiker "Bejeweled" trat bei Hasbro ebenfalls von der virtuellen Welt in die reale über. Das sinnliche Bonusfeature des Haptischen ist bei diesem Spiel besonders leicht nachzuvollziehen, denn die Brettspielversion von "Bejeweled" macht es möglich, die Edelsteine um die sich das Spielgeschehen dreht, nun tatsächlich zu berühren.

Haptik zählt auch für Michael Tschiggerl zu den Alleinstellungsmerkmalen des analogen Spielens: "Mit Genuss eine gegnerische Spielfigur vom Brett zu nehmen oder beim Monopoly die Miete in Form von Geldscheinen zu kassieren, funktioniert mit echten Material einfach besser als virtuell." Rafaela Hartenstein, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei Hasbro Deutschland über den neuen Trend: "Familien und Kinder erleben Spielspaß und Entertainment heute multimedial. Die digitale Spielewelt hat genauso wie die Brettspielklassiker viele neue starke Marken wie Angry Birds, CityVille und ähnliches hervorgebracht."

Bleibt die Frage, warum man ein Computerspiel nicht einfach da weiterspielen sollte, wo es herkam: am Computer. Rafaela Hartenstein sieht den Mehrwert eines Brettspiels darin, dass es "in einem gemeinsamen Beieinander erlebt wird. Es wird gesprochen, gescherzt und gelacht - ohne, dass die Konzentration ausschließlich auf das Medium, etwa den Computer oder das iPad fokussiert ist. Die soziale Interaktion und das Erleben der Mitspieler stehen dabei manchmal mehr im Vordergrund als das Spiel selber."

Beim Kosmos Verlag kennt man die gegenseitige Befruchtung der digitalen und analogen Spielwelten schon seit längerem. Der Stuttgarter Verlag schuf mit "Die Siedler von Catan" einen Brettspiel-Klassiker, der zur Erfolgsmarke mit zahllosen Spin-offs wurde und später als Vorlage für diverse Computerspiele und Apps diente. Im Sommer 2013 erscheint bei Kosmos ein weiterer Titel, der auf die Klientel der realweltoffenen Digital Natives schielt: "Rabbids - das Spiel" basiert auf der Partygame-Reihe. Wie die Hasen im Konsolengame dürfen sich die Spieler an allerlei aberwitzigen Minispielen versuchen.

Der für die Umsetzung verantwortliche Redakteur bei Kosmos, Arne Bratenstein, ist sicher: "Es hat einen besonderen Reiz, virtuelle Dinge in der Realität zu erleben. Ich kenne und liebe die digitalen Figuren und Spiele. Doch nun kann ich diese auf einmal anfassen und in echt erleben. Bei unserem Rabbids-Spiel heißt das konkret: Ich schleudere einen Rabbid mit dem Katapult auf den Spielplan, setze mir eine überdimensionierte Sonnenbrille auf oder renne mit einer Kartonkuh auf dem Kopf um den Tisch. Das macht mindestens genau so viel Spaß wie die digitale Vorlage, und ich brauche dazu nicht mal Strom."

Als Feind auf dem Brett empfinden die klassischen deutschen Spielverlage die Videogame-Adaptionen nicht. Die lange Tradition in einem Mutterland des Gesellschaftsspiels bringt eine gewisse Gelassenheit gegenüber kurzfristigen Trends mit sich. Schließlich weiß man um die eigenen Stärken. Arne Bratenstein schätzt an Brettspielen, "mit anderen Menschen ein gemeinsames Erlebnis zu haben. Man sitzt sich gegenüber, kommuniziert und darf im Spiel auch mal gemein und albern sein, sich über einen Sieg freuen oder laut schreien, wenn man verliert. Und keine App kann einen Würfel ersetzen, der über den Tisch kullert und im letzten Moment auf die erhoffte Seite fällt." Nicht nur deshalb ist die Zukunft des Brettspiels seiner Meinung nach so groß wie seine Vergangenheit: "Je mehr Zeit wir alleine in digitalen Welten verbringen, desto größer wird unsere Sehnsucht nach realen Erlebnissen mit echten Menschen. Und von dieser Sehnsucht profitieren auch unsere Brettspiele."

 


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