Donnerstag, 4. April 2013

App-okalypse Now oder Schöner Wohnen?

Türen, die sich wie von Geisterhand öffnen. Kühlschränke, die uns zu ihrem Inhalt passende Kochrezepte vorschlagen und Solaranlagen, die mit der Waschmaschine über das Wetter plaudern - was vor kurzem noch Stoff für Science-Fiction-Romane war, soll nun flächendeckend bei uns einziehen: Smart Homes, die Vision vom intelligenten, vernetzten Haus, wollen nicht nur Millionäre für Hausautomation begeistern, sondern auch Otto Normalbewohner.

Smart Homes machen Smartphone oder Tablet zur Fernbedienung - nicht für den intelligenten Flachbildschirm, sondern fürs ganze Leben. Zu den besten Argumenten fürs vernetzte Wohnen zählt das Plus an Komfort, das Objekte bieten, die ihre Aufgaben ungefragt selbst erledigen - beispielsweise Fenster und Jalousien, die sich je nach Wetterlage selbst öffnen. Auch die Kostenersparnis durch situatives Klima- und Beleuchtungsmanagement wird angesichts steigender Strompreise immer attraktiver.

Ein Problem liegt in der Kommunikation des heimischen Inventars: Die Geräte sprechen oft nicht die gleiche Sprache. Bislang existiert kein einheitlicher Industrie-Standard, sodass anstatt wirklicher Vernetzung oft herstellereigene "Technikinseln" vorherrschen. Die von der Deutschen Telekom initiierte Smart-Home-Plattform QIVICON will das ändern und sammelt fleißig Partner. Zu denen zählen bereits Unternehmen wie Miele, Samsung und EnBW. Alexandra Hürter-Waasem von der Telekom erklärt: "Die ersten Produkte werden voraussichtlich noch in diesem Jahr verfügbar sein."

"Qivicon ist ihr Hausmeister, ihr Energiemanager, ihr Sicherheitsdienst, ihre Haushaltshilfe, ihr Butler" verspricht die Telekom. Das klingt verlockend, doch manche Berührungsängste mit der schönen neuen Welt bleiben. Wenn die gesamte Bordelektronik des vernetzten Hauses über ein zentrales System geregelt wird, was passiert, wenn dieses eine Fehlfunktion hat? Stehe ich dann vor verschlossenen Türen? Muss ich frierend durch dunkle Flure schleichen? Wenn mein Haus mit dem Internet verbunden ist, muss ich dann nicht Angst haben, dass ein Hacker meine Heizkosten ankurbelt oder mein Wohnzimmer über meine eigene Überwachungskamera ausspioniert? Ermahnt mich mein Hausarzt per Videochat zu mehr Disziplin, nachdem mein Kühlschrank mich verpetzt und heimlich eine SMS an die Krankenkasse geschickt hat, weil ich schon wieder schlechte Fette zu mir genommen habe?

Jörg Bonkowski von Buderus erklärt: "Niemand muss Angst haben, wegen einer App zu frieren." Selbst wenn "Easy Control", die firmeneigene App zur Heizungssteuerung, einmal nicht funktional wäre, würde die eigentliche Heizungsregelung weiterhin im eigenen Keller und nicht im Cyberspace ablaufen. Auch vor digitalen Lausbubenstreichen müsse man sich nicht fürchten: "Die Heizungs-App wird über eine Hochsicherheitsumgebung angesteuert, die nicht über das herkömmliche Internet erreichbar ist."

Doch nicht alle Smart Home-Lösungen sind so durchdacht. Davon weiß Kriminalkommissar Matthias Schmidt vom Fachbereich Neue Medien ein Lied zu singen. Er demonstriert, wie sich mittels einer in die Suchmaschine getippten Buchstabenkombination ungesicherten Smart Homes ein virtueller Besuch abstatten lässt. Die Teichpumpe im Garten eines Eigenheims abzustellen, ist noch das Harmloseste, was Schmidt nun anstellen könnte. "Man muss kein Hacker sein, um das zu schaffen." Auch Türsysteme finden sich im Web. Die Laufzeit eines digitalen Einbruchs per Passwort-Attacke? "30 Sekunden bis 10 Minuten." - Zumindest, wenn man sich bei der Passwortwahl auf Klassiker wie Namens- und Geburtsdaten-Kombinationen beschränkt. Schmidts Tipp: "Gerade beim Thema Haustür und Fenster unbedingt zu zertifizierten Systemen greifen, die andere nicht über das Netz erreichen können. Sicherheit kostet Geld."

Expertenhilfe bietet beispielsweise der TÜV. Dr. Royth von Hahn vom TÜV Süd findet, die möglichen Vorteile würden die Risiken deutlich überwiegen: "Die Diebstahl- und Einbruchs-Sicherheit kann eine Smart-Home-Lösung durch intelligente Überwachungstechnologie wie vernetzte Bewegungsmelder, Licht, Kameras, Zugangskontrollen und Aufzeichnungen etc. erhöhen." Der Fachmann betont aber: "Bei kritischen Systemen wie dem Zugang zum Gebäude oder der Steuerung von wesentlichen Funktionen wie der Heizung muss es eine zuverlässige Absicherung der Steuerung gegen Hacker-Angriffe sowie manuelle Eingriffsmöglichkeiten durch den Eigentümer geben, mit denen die automatisierten Systeme außer Kraft gesetzt werden können."

Karsten Küber, Inhaber von Aroma_ID aus Offenbach, freut sich auf das intelligente Heim. Die von seinem Designstudio vorgestellte "Küche der Zukunft" wurde soeben mit dem renommierten Siemens Future Living Award 2013 ausgezeichnet. Er ist davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir Vorzüge des intelligenten Wohnens bedenkenlos genießen: "Heute hat niemand mehr Angst, dass sein Schlüssel abbricht, obwohl auch so etwas passieren kann. Grundsätzlich ändern sich die Verhältnisse nicht, nur die technischen Voraussetzungen." Ob man sich Sorgen macht, bleibt wohl tatsächlich eher eine Frage der Persönlichkeit und weniger eine Frage der Technik - egal, ob man sich im Ferienflieger den Kopf zermartert, ob das Bügeleisen ausgesteckt ist oder darüber, wie intelligent das intelligente Haus wirklich ist, wenn es allein gelassen wird.

 


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