Sonntag, 3. Februar 2013

Kein Ende der Polizeigewalt in Ägypten

Kairo (dapd). Ein neuen Fall exzessiver Polizeigewalt treibt Ägyptens Opposition auf die Barrikaden. Präsident Mohammed Mursi müsse wegen Mordes und Folter vor Gericht gestellt werden, verlangt der Sprecher der Nationalen Heilsfront, Chaled Dawud. Innenminister Mohammed Ibrahim habe sofort zurückzutreten, das "Regime der Tyrannei" gehöre gestürzt, zürnen die Gegner der islamistischen Regierung.

Die Prügelattacke der Sicherheitskräfte war von einem ägyptischen Fernsehsender am Freitag direkt ausgestrahlt worden. Während 75 quälend langen Sekunden zeigt der Videoausschnitt, wie eine Gruppe Bereitschaftspolizisten auf einen halb nackten Demonstranten mit Stocken einschlägt und ihn über den Boden schleift. Anschließend zerren die Polizisten den 50-Jährigen in einen Einsatzwagen. Der Vorfall soll sich unweit des Präsidentenpalastes in Kairo zugetragen haben. Das Büro von Präsident Mohammed Mursi nennt das Video "schockierend", spricht jedoch von einem Einzelfall.

Fehlende Polizeireform

Die jüngste Attacke prügelwütiger Polizisten erinnert fatal an die ebenfalls auf Video aufgenommene Misshandlung einer Demonstrantin durch Sicherheitskräfte vor etwas mehr als einem Jahr. Im Dezember 2011 hatten Bereitschaftspolizisten im Zentrum Kairos eine auf am Boden liegende Frau zuerst halb entblößt und dann mit Fußtritten misshandelt. Die Ähnlichkeit der beiden brutalen Übergriffen führt schmerzlich vor Augen, dass eine Reform der ägyptischen Sicherheitskräfte weiter auf sich warten lässt.

Ein Ende der Polizeigewalt war eine der Hauptforderungen des Volksaufstandes vor zwei Jahren gewesen. Nach dem Sturz Husni Mubaraks stellten sowohl die Militärregierung als auch später die Islamisten eine Umstrukturierung des Sicherheitsapparats in Aussicht. Die Reformversprechen führten zu zahlreichen Personalrochaden an der Spitze des Innenministeriums; der derzeitige Innenminister ist noch keinen Monat im Amt.

Doch an den Ausbildungsmethoden und der Befehlsstruktur innerhalb der Sicherheitskräfte änderte sich wenig. "Die regierende Muslimbruderschaft zeigt kein Interesse daran, das Innenministerium umzukrempeln", sagt Dalia Youssef, Vorstandsmitglied der Nichtregierungsorganisation "Polizei und Volk für Ägypten". Unter den mehrheitlich anti-islamistischen Offizieren gehe deshalb das Gerücht um, die Muslimbrüder wollten dem Ministerium absichtlich schaden, um an dessen Stelle einen neuen Sicherheitsapparat mit Leuten aus den eigenen Reihen aufzubauen.

Rechtsfreier Raum

Das auf Korruption und Vetternwirtschaft beruhende Netzwerk hochrangiger Polizeioffiziere wiederum schirmt sich erfolgreich gegen jeden juristischen Zugriff ab: Bis heute sitzen wegen der Tötung von mehr als 800 Demonstranten während der Revolution nur der vormalige Innenminister Habib al-Adli sowie zwei Polizeioffiziere in Haft. Solange unter den Sicherheitskräften das Gefühl herrsche, sich in einem rechtsfreien Raum zu bewegen, werde es weiterhin brutale Übergriffe geben, sagt Dalia Youssef. Sie warnt, dass dadurch auch unter den Demonstranten die Gewaltbereitschaft steige.

In der Mittelmeerstadt Port Said feuerten Regierungsgegner vergangene Woche mit scharfer Munition auf Polizisten. In Kairo formierten sich gewaltbereite Jugendliche zu einem "Schwarzen Block". Dessen selbst erklärtes Ziel ist es, Vergeltung für die Opfer der Revolution zu üben. Als Ministerpräsident Hischam Kandil am Samstag den Tahrirplatz im Zentrum der Hauptstadt besuchen wollte, bewarfen Demonstranten seinen Fahrzeugkonvoi mit Steinen und Flaschen. Kandil machte auf der Stelle kehrt.

Prügelopfer dankt Polizisten

Die Gewaltattacken und Einschüchterungsversuche der Polizisten machen indes auch vor Krankenhaustüren nicht halt. Nachdem die Familie des jüngsten Prügelopfers am Samstag zuerst schwere Vorwürfe gegen das Innenministerium erhoben hatte, teilte die Behörden später mit, das Opfer wegen angeblichen Besitzes von Brandbomben anzuzeigen. Wenig später meldete sich der Demonstrant vom Polizeikrankenhaus aus selbst zu Wort. In einer bizarren Wende der Ereignisse dankte der Schwerverletzte den Polizisten. Sie hätten ihn lediglich vor gewalttätigen Regierungsgegnern schützen wollen. Menschenrechtler werfen den Sicherheitskräften nun vor, den Mann nicht nur körperlich gefoltert, sondern unter Androhung weiterer Gewalt zu seiner neuen Aussage gezwungen zu haben

dapd global

 


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