Donnerstag, 7. Februar 2013

Billionengeschacher um EU-Finanzen vor dem Scheitern

Brüssel (dapd). Mit akutem Absturzrisiko sind die EU-Spitzen in ihr zweitägiges Milliarden-Geschacher um den neuen Gemeinschaftshaushalt gestartet. Als der Gipfel nach fünfstündigen Vorverhandlungen am Donnerstagabend endlich begann, stand er auch schon auf der Kippe. Denn ein Kompromissversuch von Ratschef Herman Van Rompuy war zuvor kläglich gescheitert, weil er den sparwütigen Briten zu weit entgegen kommen wollte. Eine Einigung bis zum Morgengrauen sei "vielleicht nicht mal wahrscheinlich", verlautete am späten Abend aus deutschen Regierungskreisen.

Als "unausgewogen" hatte unter anderen Belgiens Regierungschef Elio Di Rupo die Vorstellungen Van Rompuys zuvor abgekanzelt, die Ausgaben um weitere 30 bis 40 Milliarden Euro zusammenzustreichen. Anstelle eines offiziellen Verhandlungspapieres müsse nun erst ausgelotet werden, ob es für einen Kompromiss überhaupt eine Grundlage gebe, sagte ein hoher EU-Diplomat der dapd. Viele Signale dafür gab es nicht: Der britische Premier David Cameron hatte schon bei seinem Eintreffen am Nachmittag posaunt, mit ihm werde es "keinen Deal geben", wenn Van Rompuy seine Zahlen gegenüber dem November nicht weiter reduziere. Damals hatte der Ratspräsident einen Rahmen von 1,01 Billionen Euro vorgeschlagen.

"Sehr, sehr schwierig"

Zwar war auch das schon deutlich weniger als für die vorangegangene Periode - und damit werden der EU erstmals in ihrer Geschichte weniger Geld für Landwirtschaftsförderung und Strukturmittel zur Verfügung stehen. Doch auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war Van Rompuys November-Plan noch zu üppig ausgefallen, sie wollte eine Begrenzung auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens erreichen, das wäre ein Deckel von 960 Milliarden Euro.

Im Versuch, die verhärteten Fronten aufzuweichen, nahm Merkel erst Cameron ins Gebet, sprach dann mit Frankreichs Staatschef François Hollande, Italiens Regierungschef Mario Monti, Spaniens Mariano Rajoy, mit Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, doch es half alles nichts. Die Aufgabe bleibe "sehr, sehr schwierig", so die Regierungskreise, und falls es auf dem Gipfel nicht klappe, dann werde es womöglich keinen dritten Anlauf mehr geben.

Und dann? Dann käme es zu "Jahresscheiben", wie Merkel schon bei ihrem Eintreffen am Nachmittag formulierte: Dann müsste der Finanzierungsdeckel für die EU-Ausgaben jedes Jahr aufs Neue verabschiedet werden, allerdings nur mit qualifizierter Mehrheit, die Briten verlören also ihr Veto. Das würde ein verheerendes Signal der Handlungsunfähigkeit senden, weil sich die EU nicht mehr zusammenraufen könnte. Und eine langfristige Planung auch für zentrale Infrastrukturprojekte würde unmöglich.

Merkel will "ganz klar" die Einigung

Merkel wolle deswegen "ganz klar" eine Einigung auf einen Sieben-Jahres-Rahmen, so die Regierungskreise. Allerdings seien die "Jahresscheiben" eine zweitbeste Lösung, schließlich brauche Deutschland das Geld aus dem EU-Topf "weniger als andere". Gleichwohl wäre das Scheitern des Mehr-Jahres-Planes auch für Berlin riskant: Die Bundesregierung würde einen wichtigen Rabatt auf ihren jährlichen Beitrag verlieren - und auch das Sicherheitsnetz für die ostdeutschen Regionen hinge am seidenen Faden.

Ganz fahren lassen wollte die deutsche Delegation die Hoffnung auf eine Einigung aber noch nicht. Immerhin habe sich Cameron - anders als bei seinem Eintreffen in Brüssel - in den Gesprächen kompromissbereit gezeigt, so sei jedenfalls der Eindruck. Doch ob das für eine Einigung reichen würde, blieb höchst fraglich. Schließlich zeigten sich viele Krisen- und Empfängerländer erbost, dass überhaupt weiter gekürzt werden solle.

Die Vorstellung Van Rompuys lägen viel zu weit unter den Ausgaben des vorherigen Sieben-Jahres-Plans, lautete das Verdikt des belgischen Regierungschefs Di Rupo. Die Strukturhilfen aus Brüssel seien "der Schlüssel" für die Wiederbelebung seines Landes, sagte auch der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras. Und Élysée-Chef Hollande sekundierte als Kopf der mächtigsten Agrarnation auf dem Kontinent: "Wenn Europa, nur um mit aller Gewalt einen Kompromiss zu finden, seine gemeinsame Politik aufgibt, die Landwirtschaft vergisst, Wachstum ignoriert, dann wäre ich nicht einverstanden."

 


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